Ausgleichsanspruch, Auskunft und Unternehmervorteile

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters setzt u.a. tatbestandlich voraus, dass dem Unternehmer Unternehmervorteile nach Ausscheiden des Handelsvertreters verbleiben. Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander worin diese Unternehmervorteile bestehen (können) und ob der Handelsvertreter gegebenenfalls einen Auskunftsanspruch gegen den Unternehmer zur Ermittlung der verbleibenden Vorteile hat.

BGH, Urteil vom 24.09.2020
(VII ZR 69/19)

Grundsätzlich verneint der BGH – im Gegensatz zum Berufungsgericht – einen solchen Auskunftsanspruch, zumindest wenn er auf Informationen zum sogenannten Rohertrag gerichtet ist. 

Es sind jedoch in anderen Fällen durchaus Auskunftsansprüche gegen den Unternehmer denkbar (Randnummer 21) – als (nach)vertragliche Nebenpflicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB)-, beispielsweise wenn der Handelsvertreter weitergehende Unternehmervorteile als Grundlage seines Ausgleichsanspruchs auf einen von ihm behaupteten höheren Wert des von ihm geschaffenen Kundenstamms stützt (vgl. Emde, WRP 2010, 844, 848; Semler BB 2009, 2327, 2328), der Unternehmer oder Hersteller bei Veräußerung seines Unternehmens im Hinblick auf den vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geworbenen Kundenstamm einen entsprechend höheren Übernahmepreis erzielt (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 1996 – VIII ZR 116/95, NJW 1996, 1752, juris Rn. 10 ff.) oder wenn kein Provisionsverlust oder Wegfall von Einkaufsrabatten in Rede steht – wie etwa bei Einmalprovisionen oder dem Vertrieb langlebiger Wirtschaftsgüter -, der Unternehmer aus dem vom Handelsvertreter oder Vertragshändler geschaffenen Kundenstamm nach Vertragsbeendigung jedoch weiter Vorteile zieht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Juni 2010 – 16 U 191/09, juris Rn. 33; Emde, WRP 2010, 844, 849; Westphal, DB 2010, 1333, 1334 ff.).

Kein Buchauszug zur Ausgleichs-Grundlagen-Ermittlung

Ein solcher Anspruch auf Auskunft zur Vorbereitung eines Ausgleichsanspruchs ergibt sich insbesondere nicht aus § 87c Abs. 3 HGB. Hierbei handelt es sich um einen Ergänzungsanspruch zum Abrechnungsanspruch gemäß § 87c Abs. 1 HGB und zum Buchauszugsanspruch gem. § 87c Abs. 2 HGB, gerichtet auf Auskünfte, die für den Provisionsanspruch des Handelsvertreters wesentlich sind und nicht für den Ausgleichsanspruch.

Hierzu auch ausführlich das OLG Düsseldorf (Urt. v. 27.1.2017 – I-16 U 171/15 – ZVertriebsR 2017, 111; BeckRS 2017, 101203). Diese Entscheidung ist unten im Volltext verlinkt.

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Rechtsanwalt Norbert Wolff

Seit 28 Jahren Anwalt für Handelsvertreterrecht. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und München. Tätigkeit bei einer Bundesbehörde und als Richter mit einer Abordnung an ein Landes-Justizministerium. Von 1995 bis September 2023 Geschäftsführer eines Handelsvertreterverbandes mit beratender und forensischer Tätigkeit. 28 Jahre Prozesserfahrung bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) und der Geltendmachung von Buchauszügen und Provisionsansprüchen.