Ausgleich, Alter und Krankheit – § 89b Abs. 3 HGB

Ausnahmeregelung: ausgleichswahrende Eigenkündigung des Handelsvertreters

Ausgleichswahrend kündigen als Handelsvertreter? Als Handelsvertreter selbst kündigen ohne den Ausgleichsanspruch zu verlieren, geht das überhaupt?

Grundsatz

Die Eigenkündigung ist ausgleichsschädlich

Das ist der Grundsatz. So sieht es das Gesetz vor, § 89b Abs. 3 HGB.

1.

Ausnahme Krankheit

...es sei denn, dass dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann.

2.

Ausnahme
Alter

...es sei denn, dass dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters
nicht zugemutet werden kann.

3.

Ausnahme
Anlass

...es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers zur der Kündigung des Handelsvertreters
einen begründeten Anlaß
gegeben hat.

Die alters
bedingte Eigenkündigung

Es existiert keine feste Altersgrenze. Das Alter des Handelsvertreters muss zur Unzumutbarkeit weiterer Tätigkeit führen.

Die krankheits
bedingte Eigenkündigung

Die Krankheit muss zur Unzumutbarkeit weiterer Tätigkeit führen. Nicht sämtliche Vertretungen müssen aufgegeben werden.

§ 89b (Ausgleichsanspruch) Ströbl, in Münchener Kommentar zum HGB 5. Aufl. 2021 Rn. 202:

Die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung wegen des Alters des Handelsvertreters hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ist aber regelmäßig mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bei Nichtselbstständigen zu bejahen. Mit dem Gesetz zur Anpassung an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 (Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz – RVAGAnpG) wurden die Grenzen der gesetzlichen Altersrente von 65 auf 67 Jahre schrittweise verschoben. 

Ein Arbeitnehmer, der ab dem 1.1.1964 geboren wurde, darf beispielsweise erst mit dem Erreichen des 67. Lebensjahres eine Regelaltersrente ohne jegliche Abschläge beantragen. Die gesetzgeberische Wertung, dass der Arbeitnehmer mit Erreichen des 65. bzw. 67. Lebensjahres vom aktiven Arbeitsleben in den Ruhestand übergehen darf, findet auch im Handelsvertreterrecht Anwendung. Vor Vollendung dieser Altersgrenze kommt eine ausgleichserhaltende Eigenkündigung des Handelsvertreters wegen Alters nur bei Vorliegen besonderer Umstände, wie beispielsweise einer körperlichen Behinderung, in Betracht. Da die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung mit Erreichen der Rentenaltersgrenze voraussehbar ist, darf die Eigenkündigung nicht als außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Geschieht dies dennoch, wird nicht alleine dadurch der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen.

Darlegungslast bei Unzumutbarkeit wegen Krankheit

Zu den Anforderungen an den Vortrag des klagenden Vertragshändlers zur Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen Krankheit (§ 89b III Nr. 1 Alt. 2 HGB). Die Fortsetzung der Tätigkeit des Vertragshändlers nach Kündigung des Vertragsverhältnisses wegen Krankheit (§ 89b III Nr. 1 Alt. 2 HGB) schließt den Ausgleichsanspruch nicht aus, wenn die Voraussetzungen dieser Regelung objektiv vorliegen.

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Rechtsanwalt Norbert Wolff

Seit 28 Jahren Anwalt für Handelsvertreterrecht. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und München. Tätigkeit bei einer Bundesbehörde und als Richter mit einer Abordnung an ein Landes-Justizministerium. Von 1995 bis September 2023 Geschäftsführer eines Handelsvertreterverbandes mit beratender und forensischer Tätigkeit. 28 Jahre Prozesserfahrung bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) und der Geltendmachung von Buchauszügen und Provisionsansprüchen.