Zustellungen besonderes elektronisches Anwaltspostfach

Der Grundsatz lautet:

"Entscheidend ist die Kenntnisnahme, nicht der Eingang".

Bereits zu Zeiten des papierenen Empfangsbekentnis war es herrschende Rechtsprechung, dass das Zustellungsdatum das Kenntnisnahmedatum und nicht das Eingangsdatum oder das Datum der Einlegung ins Anwaltspostfach bei Gericht ist.

Es entscheidet das Datum, das der Rechtsanwalt auf dem Empfangsbekenntnis einträgt, also der Tag, an dem er sich zur Zustellung bekennt (BGH, Beschl. v. 19. 9. 2013 – III ZR 202/13). Dieser Zeitpunkt muss nicht identisch mit demjenigen des Zugangs des Schriftstücks sein.

Zustellung

Datum
Fristbeginn
Fristende

01

Eingang

Eingang im elektronischen Postfach

02

Kenntnisnahme

Bekenntnis zur Zustellung notwendig

Maßgeblich ist das Bekennen zur Zustellung

Bei der Zustellung elektronischer Dokumente, bei denen der Nachweis der Zustellung durch elektronisches Empfangsbekenntnis erfolgt, kommt es daher nicht darauf an, wann das zuzustellende Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist (also im beA eingegangen ist), sondern darauf, wann der Zustellungsadressat das Dokument tatsächlich und empfangsbereit entgegengenommen hat (sich dazu bekennt).

Der BGH verlangt, dass dann, wenn das Datum der Kenntnisnahme vom Eingangsdatum abweicht, der Anwalt sicherzustellen hat, dass dieses abweichende Datum als Zustellungsdatum und Fristbeginn geführt wird, also vorliegend der 16.2.2022/16.3.2022 und nicht der 14.2.2022:

„Weicht die Kenntnisnahme des Empfangs durch den Rechtsanwalt vom Datum des Posteingangs ab und trägt der Rechtsanwalt dieses Datum unter seiner Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis ein, so hat er selbst sicherzustellen, dass dieses abweichende Datum in der Kanzlei als Zustellungsdatum und Fristbeginn geführt wird“.

Beispiel einer Zustellung eines Urteils via beA

Beispiel: Ein Urteil wird nebst gerichtlicher Anforderung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses (eEB-Anforderung) durch das Gericht in das beA eines Rechtsanwalts übermittelt; die Eingangsbestätigung des Gerichts weist den 14.2.2022 aus. Der Rechtsanwalt befindet sich an diesem Tag auf einer ganztägigen Reise zu einem wahrzunehmenden auswärtigen Gerichtstermin und kommt erst am Mittwoch, den 16.2.2022, wieder in die Kanzlei. Er nimmt das Urteil am 16.2.2022 zur Kenntnis und trägt den 16.2.2022 als Datum in das eEB ein und sendet das eEB formgerecht an das Gericht zurück, §§ 173 Abs. 3 ZPO, 14 S. 1 BORA.

14.2.2022

an diesem Tag hat das Gericht das Schriftstück (Urteil) in das beA übermittelt; dort ist es am 14.2.2022 eingegangen.

16.2.2022
an diesem Tag bekennt sich der Rechtsanwalt zur Zustellung des Urteils, er nimmt dabei das Schriftstück zur Kenntnis.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat, § 517 ZPO.

Die Berufungsfrist beginnt am: 17.2.2022  um 00:00 Uhr (§§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB)

Die Berufungsfrist endet am: 16.3.2022 um 23:59:59 Uhr – um 24:00 Uhr ist die Frist abgelaufen- (§§ 222 Abs. 1 ZPO,
188 Abs. 2 BGB)

Anwalt für Handelsvertreterrecht
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Rechtsanwalt Norbert Wolff

Seit 28 Jahren Anwalt für Handelsvertreterrecht. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und München. Tätigkeit bei einer Bundesbehörde und als Richter mit einer Abordnung an ein Landes-Justizministerium. Von 1995 bis September 2023 Geschäftsführer eines Handelsvertreterverbandes mit beratender und forensischer Tätigkeit. 28 Jahre Prozesserfahrung bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) und der Geltendmachung von Buchauszügen und Provisionsansprüchen.